Die Tradition der Bösenachtgeschichten bei der Horde wird gerne gepflegt. Damit werden die Kleinen schon früh durch lehrreiche Erzählungen auf die Widrigkeiten des Lebens und die ausgeprägte Feindlichkeit der Welt vorbereitet.
Vor langer Zeit herrschte die schöne Lydia von Stauss, halb hordische Dämonin und halb Vampirin, über ein großes, fruchtbares Tal in einem Königreich im Wes. Lydia war beliebt im Tal, und die Menschen fürchteten sie nicht, denn sie hatte geschworen, nie ihre Blutlust an den Untertanen auszulassen und das Tal zu schützen.
Die jungen Männer liebten und verehrten sie, denn sie pflegte immer 10 von ihnen um sich zu scharen, und ein jeder von ihnen wäre gerne dazu auserwählt. Lydia, so hieß es, wäre unersättlich, was die körperliche Liebe anging, und die kraftstrotzenden Jünglinge dienten ihrer Befriedigung. Lydia nannte diese Männer ihre Goldstücke. Diese waren ihr stets einige Jahre zu Diensten, um dann nach dem Ende dieser Zeit reich belohnt hinaus in die Welt zu ziehen, meist an den Hofe des Königs.
Die schöne Talherrin liebte das Spiel der Geschlechter. Sie steigerte ihre Lust oft mit schwarzen Leichenpilzen, und dann mussten ihre Geliebten sie die halbe Nacht verwöhnen. Sie bestiegen sie auf diese und auf jene Art, leckten sie hier und dort, und sie wurde überall gestoßen und gestreichelt, und viele Dinge mehr. Wäre das jemals über die Mauern des Schlosses getragen worden, die eine Hälfte des Königreiches wäre errötet und die anderen Hälfte vor Neid erblasst.
Die Spiele mit den zehn Gespielen füllten die langen Nächte voller Lustbarkeiten: Gerne wurde ›Bauer und Schwein‹ gespielt; dafür brauchte man immer einige Gardinen und ein paar Gerten. Und sehr beliebt bei allen war ›Heute Nacht wird gejagt‹, das sich durch alle Keller und Gänge zog. Oft endete die Nacht oben auf der Dachterrasse, von wo aus Lydias Schreie der Lust über das Tal schallten. »Wenn es Lydia gut geht, dann geht es dem Tal gut«, knurrten die Bauern in ihren Stuben. Und die jungen Männer, die das hörten, träumten davon, das sie einst dort im Schlosse dienen würden.
An einem schönen Nachmittag, da war es wieder einmal so weit, ein Dienst würde enden. Lydia von Stauss rief einen der jungen Männer herbei. ›Zum Tee‹ hieß es. Aber alle wussten, was damit gemeint war. »Nur herein«, sagte die Schöne zu dem jungen Mann Sie trug nur ein wenig Tüll und Perlen. »Euer Dienst endet nun. Aber lasst uns an diesem schönen Tage noch einmal der Freude frönen«. Sprachs und zog ihn mit gieriger Zärtlichkeit zu sich heran.
Der Junge Mann erwachte irgendwann später, die Sonne versank hinter den Hügeln. Eine unendliche, bleierne Müdigkeit erfüllte ihn. Er fühlte Schmerz an seinem Hals, und als er unwillkürlich an die Stelle fasste, ertastete er zwei kleine Wunden und Nässe. Blut klebte an seiner Hand, als er sie ansah. Er blickte auf und sah Lydia, sie stand seitlich vor ihm und lächelte schmallippig. Sie sagte: »Danke für alles, mein Liebster« und verließ den Raum.
»Schau mich an«, sagte ein unscheinbarer Mann, der ihm gegenüber saß, und ihn intensiv ansah. Der Mann begann merkwürdig zu zucken und zu keuchen. Der junge Geliebte konnte nicht glauben, was er sah: Die Gestalt des Mannes verlief wie heißes Wachs, nur um sich dann neu zu formen. Am Ende saß er seinem Ebenbild gegenüber. Der Gestaltwandler stand auf, trat zu ihm und sagte: »Nun werde ich an deiner Statt davon reiten. Ich werde allen sagen, das es an den Hof des Königs geht, wo mich eine gute Position erwartet. Und alle deine Freunde werde dich bald vergessen.«
Die letzten Worte hatte der abgelegte Gespiele schon nicht mehr gehört. Der Blutverlust ließ ihn in die Bewusstlosigkeit gleiten. Durch ein zur Seite geschobenes Paneel an der Wand trat ein Ghoul, der den Liegenden ergriff und mit sich zerrte. Er ächzte und murmelte vor sich hin: »Dein Körper weißt du, der dient der Herrin, so oder so. Du wirst ein guter Nährboden sein, mein toter Freund. Ich lege dich zu den anderen, keine Sorge, du liegst nicht allein. Die Sporen werden in dir keimen und nach ein paar Wochen trägst Du die besten, schwarzen Leichenpilze. Das wird Lydia erfreuen, sie braucht viele davon.«
Am Abend saß der Gestaltwandler in einem Rasthof vor dem Kamin. Lydia zahlte gut; in seiner Hand hielt er zufrieden eine Goldmünze des Reiches. Sie trug auf der einen Seite ein stilisiertes Portrait von Sataki und auf der anderen eine Rune. Das war die einhundertste Münze für seine Dienste für Lydia von Stauss.
EINHUNDERT GOLDSTÜCKE Klaus Erichsen November 2021
Er ist viel zu klein, ich könnte kotzen. Schreien. Toben. Am liebsten würde ich jetzt irgendjemandem die Nase brechen, Blut spritzen lassen, zuschlagen, bis gar nichts mehr geht. Aber ich schließe nur kurz die Augen und atme tief ein. Natürlich merkt er das. Aber so habe ich es gelernt. Irgendwo in meinem Bauch ist angeblich ein Muskel oder so, der muss ganz locker sein, wie hängende Schultern. Haben sie mir, hat er mir beigebracht. Also atme ich ganz einfach, ganz tief, ein und dann aus. Und hasse dieses Werkzeug weniger. Ein bisschen weniger. Auch das soll helfen.
Vor mir das Holzbrett. Und der eine Nagel. Daneben liegen die sechs anderen Nägel, und wieder daneben das verfluchte Dreieck aus Holz mit dem Gewicht an einer feinen Kette. Die lange Seite des Dreiecks ruht auf dem Boden. Da, wo sich die beiden kurzen Seiten treffen, oben, in der Mitte, da hängt das Gewicht. Und genau darunter ist ein kleiner Dorn.
Dieser Scheiß-Hammer ist doch gar keiner. Die Wut kocht wieder hoch. Ich fasse den Stiel noch fester. Diesen lächerlichen, dünnen Stiel. Meine Faust bemerkt ihn kaum. Dieser Blick. Immer dieser fiese Blick, und dieses Grinsen auf dem hageren Gesicht. Die buschigen Augenbrauen. Klar muss er nichts sagen, ich weiß schon. Das Licht der Fackeln flackert. Es ist beschissen kalt und meine Finger sind klamm. Der verfluchte Kopf des Hammers hat nur die Schlagfläche in der Größe meines Daumennagels. Der Arsch nennt das Bahn. Bahn. Was soll das denn sein? Da ist doch lächerlich. Das Ding wiegt fast nichts. Dafür ist der Stiel recht lang.
Ich greife nach dem ersten Nagel. Und nach dem Klebekram im kleinen Topf daneben. Ich muss den Nagel nicht festhalten, ich darf ihn mit der festen Knete fixieren. Immerhin. Rund um den eingeschlagenen Nagel hat er mit dem Stift einen Kreis gezeichnet, irgendwo auf dieser Linie müssen die anderen Nägel eingeschlagen werden. Als ob das so wichtig wäre. Ich verfluche den Tag, an dem ich meine Ausbildung begann. Auf der Straße hatte ich doch kein ganz schlechtes Leben. Gut, ich gehörte weder zu den Stärksten oder Geschicktesten. Ein paar Kniffe beim Kämpfen hatte ich mir abgeschaut, und so überlebte ich lange genug, bis ich mich nachts mit diesem Arschloch anlegte. Nachdem er mir zweimal gegen den Kopf getreten hatte als ich im Dreck lag, hat er mir angeboten mitzukommen. So etwas kann übel enden, ich weiß, aber bei einem weiteren Tritt wäre es wohl aus gewesen. Ich stimmte zu. Es endete auch nur so halb übel. Ich musste bei ihm in die Lehre gehen. Immer noch besser als jede Nacht seinen Schwanz in meinem Arsch zu haben. Ein bisschen besser.
Lenk dich nicht ab. Der ›Hammer‹ in meiner Hand, ich weigere mich fast ihn so zu nennen, saust herab auf den fixierten Nagel. Kurz vor dem Auftreffen verzögere ich, so habe ich das gelernt. Der Nagel wird ins Brett getrieben. Für mich sieht das gut aus. Tatsächlich fordert er mich auf, den nächsten Nagel zu nehmen. Meine Stimmung bessert sich, ich beuge mich runter zu dem Brett, aber im flackernden Licht lässt sich das nicht allzu gut in Augenschein nehmen. Na dann, nächste Knete, nächster Nagel. Schon beim Ausholen merke ich, dass ich mich nicht genug auf die Aufgabe konzentriert habe, die Verzögerung kommt zu spät und jetzt schreit mir der Meister auch noch ins Ohr – ich treffe den Nagel nur halb, schief, lächerlich. Nicht tief genug.
Der zweite Schlag ist der schwerste denke ich schon wie der Meister, dessen hohles Grinsen noch abstoßender wird. Ich könnte ihm die Fresse polieren, eine rote Welle aus Wut und Zorn überrollt mich. Er zeigt auf den dritten Nagel. Luft holen. Nicht so verkniffen dreinschauen. Er sagt immer, er könne in meinem Gesicht alles, aber auch alles ablesen. Danke dafür.
Dann wird er irgendwann mal ablesen, dass ich ihm jetzt umgehend mit dem großen Vorschlaghammer den Schädel einschlage. Lehrjahre sind keine Herrenjahre noch so ein Spruch. Ich bringe Atmung und meine zitternde Hand wieder unter Kontrolle, nehme Knete und den dritten Nagel. Ich denke jetzt gar nicht groß darüber nach, ein Schwung, ein Schlag. Kurzes Herunterbeugen auf die Höhe der Nagelköpfe. Auch das hier … Nicht nachdenken, keine Zufriedenheit, keine Frustration, weitermachen. Nächster Nagel, nächster Schlag. Nächster Nagel, nächster Schlag. Als ich zum letzten Nagel greifen will bedeutet er mir einzuhalten. Es ist Zeit für die, jetzt weiß ich es wieder, Waage. Setzwaage. Die lange Unterseite wird auf dem Nagel in der Mitte und dem misslungenen zweiten Versuch angesetzt. Klar, dass der Dorn nicht auf die Markierung in der Mitte zeigt. Wut kocht wieder in mir hoch. Ein Fäustel würde reichen, eine kurze Gelegenheit, und mein Meister wäre blutver- schmierte Vergangenheit. Jetzt setzt er die Auflagenseite auf den ersten Nagel. Nach kurzem Auspendeln zeigt die Spitze des Gewichts auf den Dorn. Ich hatte recht gehabt. Er legt das Instrument wieder zur Seite. Was will er jetzt schon wieder? Noch ein Nagel, Lektion vorbei, dann lieber wieder Alltagsgeschäft? Lass mich doch den sechsten Nagel einschlagen. Stattdessen bedeutet er mir mitzukommen. Wir gehen nach nebenan. Bange Blicke folgen uns im nächsten Gewölbe, aber alle haben schön gelernt, die Klappe zu halten. Kann keiner sagen, dass der Meister nicht wüsste was er tut. Das ist ja das Problem. Ruhig bleiben. Er geht zu einem Mädchen, einer jungen Frau, dreckig, stinkend wie alle hier. Nimmt ihre Hand. Legt sie flach auf den Boden und hält sie fest. Ich schaue sie nicht an, gelernt ist gelernt. Nur auf die Hand, die Finger, den Zeigefinger. Lasse mich neben ihr nieder. Sein Blick sagt: jetzt.
Wieder der Schwung, wieder das Verzögern, und das satte Auftreffen. Sie kann nicht anders, sie schreit laut auf und mein Meister verpasst ihr eine Ohrfeige.
Dann nimmt er die Hand der wimmernden Gestalt und betrachtet das vordere Fingerglied. Ich senke die Augen, aus meiner Sicht war alles richtig. Nicht übermütig werden. Der Fingernagel war zersplittert, das Fleisch aufgeplatzt, aber das Gelenk unbeschädigt. So, wie es sein sollte. Der Meister schnipste kurz gegen den Finger, ein Stöhnen, ein kurzer böser Blick. Mir bedeutet er aufzustehen.
›Die Kunst ist das rechte Maß aus Kraft und Geschicklichkeit‹ kam mir wieder in den Sinn. Schließlich sollten die meisten Aufträge nachher wieder einer nützlichen Arbeit nachgehen. Nur Idioten schlagen sie zu Krüppeln. Es sei denn, der Auftrag lautet so. Auch das kommt vor. Ich darf das zierliche Hämmerchen ablegen. Zur Belohnung deutet der Meister auf den … Fäustel. Endlich. Es gibt da noch ein paar Kniescheiben einzuschlagen. Aber nicht das Gelenk beschädigen. Ich weiß Bescheid, schließlich bin ich bald kein Lehrling mehr sondern Geselle.
WERKSTATTBERICHT Michael Scheuch Seeheim, Dezember 2020/Januar 2021
Nachdem der erste Teil dieser Schrift, erschienen in Dämonenbote 96, Follow 443, den Zeitraum vor dem Zeitalter der Finsternis, das Zeitalter der Finsternis selbst sowie die ersten 33 Jahre nach ebendiesem betrachtete, so geht der zweite Teil auf den chronologisch nächsten Zeitraum ein, also die Zeitspanne 33 bis 57 nach der Finsternis, denen das Spiel auf der wiederentdeckten Estlichen Welt seit 1994 bis in die Gegenwart zugrunde liegt.
Teil II – Vom Zerfall des Ersten bis zur Entstehung des Zweiten Greifenbundes
Diese Schrift behandelt die Geschichte der Regionen namens Greifenrücken, Greifenleere, Rudravid und Litaria – allesamt Gebiete im Ydd der Estlichen Welt, in denen das Volk der Homiiden heimisch war und ist. Sie umfasst dabei sowohl geographische, enzyklopädische als auch politische Bestandteile und soll dadurch einen allgemeinen Überblick bieten.
Der erste Teil endete mit dem Verschwinden des Nebels über der Estlichen Welt, welcher das zur Seefahrt talentierte Volk der Homiiden von ebendieser abhielt. Politisch gab es ein Verteidigungsbündnis der Städte der Homiiden, den so genannten Greifenbund, welchen die Städte Ashkalin, Timoris, Naburit, Lenduris, Ruhtron, Meggoddin unter der Führung der Herren von Greifenstein bildete.
Von Missionaren und Eroberern
Noch vor dem Verschwinden des Nebels kamen im Jahre 31 ndF Missionare der Göttin Daya in die Greifenleere. Sie schufen eine breite Anhängerschaft dieser Gottheit in den höheren, reicheren Schichten im Volk der Homiiden. Sie war für einige Jahre eine Ergänzung zum sonst verbreiteten Wolsischen Pantheon. Auch sagt man, dass die Priesterschaft des Greifentempels in diesen Jahren im verborgenen starken Einfluss auf den Ersten Greifenbund ausübte, nachdem sie sich von Hondanan zurückgezogen hatten, diese aber nach kurzer Zeit Aufgaben und sich anderen Gefilden auf Magira widmeten.
Im Jahre 33 ndF wurde der Greifenbund auf eine harte Probe gestellt, denn seine beiden Nachbarn, der Löwe und der Falke, sowie der Stier wollten dieses Gebiet unter ihre Kontrolle bringen – was ihnen innerhalb der nächsten zwei Jahre gelang. Die Städte Lenduris, Ashkalin und Greifenstein fielen an Ena Wolsan, die Städte Naburit, Timoris und Ruhtron an die Toku. Meggoddin gelangte unter kurzzeitige Kontrolle der Valusier, wurde aber an Ena Wolsan abgetreten. Von nun an lebten die Homiiden in verschiedenen Reichen, mit verschiedenen Herren, Rechtssystemen, Glaubensansätzen, sogar Sprachen. Sowohl Löwe als auch Falke räumten den Homiiden viele Freiheiten ein, jedoch keine Möglichkeit die Herrschaft ihres angestammten Gebietes zurückzuerlangen. Von diesem Zeitpunkt an begannen die Städte der Homiiden zu schrumpfen. Viele junge Menschen wurden in fremde Armeen gepresst und viele, die außerordentliche Talente hatten, zum Beispiel in der Metallverarbeitung oder der Architektur, verließen ihr Land, um in Ena Wolsan Reichtum und Anerkennung zu finden. Ihnen half, dass die Homiiden ebenfalls Wolsisch sprechen, wenn auch mit einem starken Dialekt. Im Jahre 34 ndF endete die Zeit des Ersten Greifenbundes mit der Eroberung Greifensteins durch Ena Wolsan.
Von Invasoren auf eisigen Platten
Das nächste Kapitel der Geschichte von Greifenrücken und Greifenleere beginnt im Jahre 36 ndF, als das Eisvolk von Andor mithilfe von aus Eisplatten erstellten Großflößen die Küste der Greifenleere erreichte. Diese Wesen, und das sie begleitende Dienervolk der Inuamen, kamen aus ihrem eigenen Reich, welches sich angeblich am Sudpol Magiras befinden soll, in die Region. Sie konnten sich schnell, auch aufgrund ihrer militärischen Stärke, mit dem Falken und Löwen einigen. So wurden ihnen zuerst die Städte Naburit und Timoris überlassen, später erlangten sie auch Kontrolle über Ashkalin und auch für kurze Zeit über Greifenstein. Dieses Reich auf dem Gebiet der Homiiden hielt für einige Jahre an, sodass die Andorianer sich an einigen Stellen festsetzten und die sie begleitenden Inuamen sich teilweise mit den Homiiden vermischten. Doch die Herrschaft der Andorianer und der teilweise magisch begabten Adelsschicht dieses Volkes verblasste zunehmest, auch aufgrund ihrer Überheblichkeit. Schließlich wurden sie von den Völkern der Alten Welt dort vertrieben. Heute können wir noch einige Anzeichen der Andorianer und Inuamen in dieser Region finden, seien es Lehnwörter oder einige ihrer architektonischen Werke. Besonders in der Region um Ashkalin im Nor der Leere findet man andorianische Einflüsse in Ernährung und Kleidungsweise. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass sich ein Teil des Adelsgeschlechtes im Dreigipfelgebirge im Nor des Greifenrückens befindet und dort im Exil lebt.
Nicht unerwähnt soll die kurze Besetzung von Ashkalin durch die Horde der Finsternis unter der Führung des Dämonen Rho Un Garr bleiben, der diese Stadt 44 ndF vom Löwen übernahm und für einige Monde hielt.
Von Besuchern aus der Alten Welt und dem spitzen Stachel des Skorpions
Die oben bereits beschriebene Schwäche des Adels von Andor nutzte besonders den Völkern der Alten Welt, die im Jahre 47 ndF die Estliche Welt erreichten, um Krieg gegen Ena Wolsan zu führen. Diese Völker waren der Rabe, der Drache, die Schlange, Tir Thuatha und das Reich des Feuers. Ihr Erfolg war jedoch überschaubar. Sie zogen durch die Greifenleere, wurden jedoch am Greifenrücken bereits vom Löwen gestellt und dort sowie zu Wasser geschlagen und wieder vertrieben.
Die Choson erreichten – ebenfalls von der Alten Welt kommend – die Region und konnten für kurze Zeit Naburit von den Andorianern halten, werden aber von den Söldnern der Cehisar wiederum vertrieben, die – nachdem sie die letzten Andorianer besiegten – Ruhe in die Greifenleere bringen. Unter dem Banner des Skorpions stehen für einige Monde Greifenstein, Ashkalin, Naburit, Timoris und Meggoddin. Doch sind die Söldner eben Söldner und nicht für das Halten oder den Ausbau von Städten und Strukturen bekannt. Die Städte wurden Ena Wolsan überlassen und an der ein oder anderen Stelle kam es zwischen Löwe und Skorpion zu dezentralen Gemetzeln, doch waren sich die Führungen beider Kriegsparteien einig, dass die Söldner diese Region verlassen werden, zu uns heute unbekannten Konditionen.
Von wechselnden Herren und erneutem Mut
Ena Wolsan hielt 49 ndF Greifenrücken, Greifenleere und Rudravid. Die Insel Litaria befand sich unter Kontrolle des Falken. Der Löwe wusste jedoch schlau die Städte und Gebiete der Greifenleere für seine Diplomatie in den kommenden Jahren zu nutzen. Timoris gelangte wieder unter Kontrolle der Toku und Naburit wurde den Ranabarern 51ndF als Stützpunkt in der Estlichen Welt angeboten, die diesen 53 ndF an den Phönix abtraten. Dieser wiederum verließ die Stadt Naburit 55 ndF, weil es dort nicht mit rechten Dingen zuzugehen schien. Truppen der Horde der Finsternis unter der Führung der Halbdämonen Onua, die eigentlich Timoris durch die Verhandlungen von Schädelträger Samsa mit dem San übernehmen sollten, fanden die Stadt ungeschützt vor und besetzten sie. Im Jahr 56 ndF erobert Samsa zusätzlich Ashkalin, welches zwischenzeitlich vom Wali gehalten wurde.
Zu Beginn des Jahres 57 ndF erklärten sich die drei Städte Ashkalin, Nabur und Timor (vormals bekannt als Naburit und Timoris), die allesamt unter der Herrschaft der Horde der Finsternis standen, zum zweiten Greifenbund, um zumindest ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.
Wie sich dieser Schritt in der Region und für die weiteren Siedlungsgebiete der Homiiden auswirken wird und welches Motiv die Horde der Finsternis dort verfolgt wird die Zukunft zeigen.
GREIFENRÜCKEN UND GREIFENLEERE Teil II – Vom Zerfall des Ersten bis zur Entstehung des Zweiten Greifenbundes Jörg Meierotte Wiesbaden, September und November 2020
»Auf der Westlichen Welt wurde der Fehler gemacht, dass alle, die dort mit ihren Magiragruppen begonnen haben, auf eine geschichts- und damit gesichtslose Landmasse stießen. Auf der Alten Welt hingegen wurde nach der Finsternis mit bereits vorab verteilten Reichen begonnen. Dadurch erhielten die einzelnen Magiragruppen die Möglichkeit, ihren Reichen eine Vorgeschichte einschließlich Legenden, Sagen und ähnlichem zu geben. Dies dürfte unter anderem einer der Gründe sein, warum die Alte Welt für viele attraktiver ist – oder zumindest gewesen ist – als die Westliche Welt. Die Magiragruppen, die auf der Östlichen Welt beginnen, sollten diesen Fehler nicht wiederholen, sondern bereits mit einem Reich beginnen.«
Um die Notwendigkeit der folgenden Abfassung zu verdeutlichen, habe ich ganz bewusst dieses Zitat von Matthias Bogenschneider gewählt und an den Anfang gesetzt. Es warnt nach Erfahrungen mit der Yddia deutlich davor, bei der Erstellung neuer magiranischer Welten die Vorgeschichte dieser Welten zu vernachlässigen beziehungsweise auszuklammern. Ich will damit nicht sagen, dass diese Fehler auf der Estlichen Welt wiederholt oder auf der Weslichen Welt gar gemacht wurden. Dort, wo aktive Magiragruppen die Ländereien übernahmen, finden wir heute die erarbeiteten Hintergründe die einen enzyklopädischen Rahmen schaffen.
Dies ist allerdings nicht für alle Regionen der Fall, beispielsweise in der Startregion des Greifen im Ydd des Kontinents, was an der Inaktivität der dort beginnenden Magiragruppe lag, deren Gebiet zügig noch im letzten Jahrtausend unter den Nachbarn aufgeteilt oder an neue Spieler abgetreten wurde.
Heute finden wir als Horde der Finsternis, nun in diesem Gebiet ansässig, eine Situation vor, in der nichts beschrieben ist. Die Städte, die wir eingenommen haben, wurden von anderen Spielern liebevoll Hurenstädte genannt, auch wenn sie hin und wieder kulturspezifische oder gar unsinnige Namen bekamen.
Dieser Text beginnt mit der notwendigen Grundlagenarbeit, um diese Gegend nicht nur mit Zinnfiguren, sondern auch mit Fantasie bespielen zu können. Er mag vielleicht nicht sonderlich lang sein, doch stecken darin viele Stunden der Recherche. Alte Spielberichte wurden gesichtet, Clanletter verschiedener Clans aus verschiedenen Zeiten durchforstet, EWS-Protokolle nachvollzogen. Auf der einen Seite war es eine interessante Spurensuche durch 25 Jahre Geschichte der Estlichen Welt, auf der anderen Seite war es ernüchternd wie wenig Material tatsächlich vorhanden und in welchem Maße es verstreut war. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Wolfgang Scheyrer und Hermann Schmid, die geduldig bei jeder meiner Fragen hilfreich zur Seite standen. Ihr ermöglicht es, dass wir dieser Region Hintergrund, Legenden, Geschichten und Charakter geben.
Teil I – Vor der Finsternis bis zum Verschwinden des Nebels
Diese Schrift behandelt die Geschichte der Region namens Greifenrücken, ein Hoch- und Bergland umfassender, sich von Nor nach Sud erstreckender, das norliche Tiefland der Estlichen Welt trennender Gebirgszug, sowie des sich von dort aus bis zum weslich liegenden Hagansgolf erstreckende Tiefland, genannt Greifenleere, welches sich im Sud bis zum Sangu-Delta sowie im Mir bis zum Hochland Rudravid. Auch behandelt sie die Insel Litaria. Sie umfasst dabei sowohl geographische, enzyklopädische als auch politische Bestandteile und soll dadurch einen allgemeinen Überblick bieten. Urbevölkerung, deren Lebensform und die Ereignisse vor der Finsternis Über die menschliche Urbevölkerung vor der Finsternis wissen wir heute nur noch wenig. Laut verschiedenen Quellen waren sie von gelblicher Hautfarbe und lebten als Nomaden in einer Stammes- und Sippenstruktur. Sie zogen mit ihren Tierherden durch die Weite der Ebenen, auch wenn an den Küstengebieten Fischerei oder das Sammeln von Muscheln nicht unüblich war.
Die Vorkommen verschiedener Ressourcen wie Steine, Kupfer und Zinn sowie die aufkommende Landwirtschaft, die die wachsende Bevölkerung besser ernähren konnte, führte zu ersten Siedlungen, auf den höheren Gebieten des Greifenrückens und des Rudravid sogar kleinere Städte, deren Lage und Bedeutung heute in Vergessenheit geraten ist. Eine Ausnahme bildet die Stadt Meggoddin, die die Wolsi heute Megg Addon nennen. Die Besiedlung dieser Gegend kann bis vor der Finsternis zurückverfolgt werden. So lebte die Bevölkerung bis zum Jahre 1047 nach Kreos. In diesem Jahr durchzogen Truppen des Löwenreiches, welches bereits auf der Alten Welt eine enorme Größe erreicht hatte, die beschriebenen Gebiete und verstanden die Region als Teil der Kolonie ›Neu-Wolsan‹, die weitaus größer war als der Greifenrücken und seine Umgebung. Dies gelang ihnen im Besonderen durch ihren Organisationsgrad sowie ihre technische Überlegenheit, denn sie nutzten beispielsweise bereits Waffen aus Eisen. Neben den Wolsi sind zwei weitere Völker für die Zeit nach der Landnahme des Löwen bis zum Einbruch der Finsternis im Bärenmond 1050 nK für diese Region von Bedeutung: Die Atharer und die Golonen. Die Atharer unter ihrem Herrscher Athar Uthar waren kein Volk der Estlichen Welt. Im Jahre 1047 nK lebten sie für kurze Zeit in der Region um die Stadt Priem im Wald von Valusien. 1048 nK gaben sie diese Gebiete auf, um im Austausch mit Taurinderehus IV von Galusien Schiffe und Kriegsmaterialien zu erhalten. Diese nutzten sie, um in die Region des Greifenrückens einzufallen und diese 1049 nK vom Löwen zu erobern, denn sie waren zu Beginn des so genannten Östlichen Weltkrieges zuerst Teil der Wolfsliga, die gegen die Übermacht der Wolsi kämpfte. In dieser Zeit fiel bei der so genannten »Hagelschlacht« auch Athar Uthar. Leider können wir heute nicht mehr nachvollziehen wo genau diese sagenumwobene Schlacht stattgefunden hat. Sein Nachfolger, Azal Khri II, wechselte die Seite, sodass die Atharer nun in der Löwenunion gegen die Wolfsliga kämpften. Die Golonen unter ihrem Seekönig Hagan waren ebenfalls kein Volk der Estlichen Welt. Aus dem Nor kommend, betraten ihre Recken 1049 nK in der Nähe des heutigen Ashkalin die Estliche Welt. Als Teil der Löwenunion bewegten sie sich in die Region estlich und mirlich des Greifenrückens und trafen dort auf die Soghiden um Wardan Chudah sowie die Etlandwali, mit denen sie sich vorerst belauerten. Auch das Volk der Atharer bewegte sich in diese Region und ließ das Tiefland weslich des Rückens zurück, in welches nun wieder die Wolsi für kurze Zeit vordringen konnten. 1050 nK ging in die Geschichte Magiras ein als jenes Jahr, in dem die Finsternis über alle Völker hereinbrechen sollte. Doch bevor dies geschah, übte Seekönig Hagan Verrat an der Löwenunion und wechselte zur Wolfsliga. Seine Golonen konnten gemeinsam mit den Etlandwali und den Soghiden die Atharer vernichten. Im Anschluss entrissen sie die Region um den Greifenrücken den Wolsi, welche ihre Kräfte für die Eroberung der Stadt Priem konzentrierten. So kam es, dass zum Ende dieses vorfinsterlichen Zeitalters die Golonen neben den oben beschriebenen Ureinwohnern in der Region um den Greifenrücken lebten.
Während der Finsternis: Drei Völker verschmelzen zu Einem
Seekönig Hagan erkannte schnell die Gefahren der nun vorherrschenden Finsternis für sein Volk und beschloss umgehend das Gebiet um den Greifenrücken mit uns heute unbekanntem Ziel zu verlassen. Viele Golonen hörten seinen Ruf, doch nicht alle. Ob dies eine direkte Auswirkung der Finsternis war oder an anderen Gegebenheiten lag, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Jedenfalls sollen die vielen Schiffe Hagans von der Küste bis zum Horizont gereicht haben, weshalb man den Meeresarm weslich der Greifenleere heute noch Hagansgolf nennt. Heute finden wir die Golonen in Gybal-Sham auf der Yddia wieder. Die auf der Estlichen Welt zurückgebliebenen Golonen lebten in dieser gefährlichen Zeit friedvoll mit der Urbevölkerung zusammen, besonders in den Küsten- und Flussgebieten des Sangu-Deltas. In der gesamten Region verschmolzen diese beiden Völker zu einem. Im Laufe der Finsternis kam es zu einer weiteren Verschmelzung. Die Wolsi der Estlichen Welt, die sich zu Beginn der Finsternis im Hochland im Ydd-Wes der Estlichen Welt befinden, verließen diese Region in Richtung Nor, wo wir heute ihr Reich Ena Wolsan finden. Die Gründe für ihre Völkerwanderung sowie die zeitliche Dauer sind heute nicht bekannt.
Nach der Finsternis: Das Volk der Homiiden und der Greifenbund
Durch diese beschriebene Verschmelzung der Ureinwohner zuerst mit Teilen der verbliebenen Golonen, später mit Teilen der verbliebenen Wolsi entsteht im Laufe der Finsternis ein Volk, das sich vom Greifenrücken aus über die Greifenleere bis hin zum Hagansgolf erstreckt als auch Teile des Hochlandes Rudravid umfasst und heute als Homiiden bekannt sind. Es spricht Wolsisch, wenn auch mit einem eigenen, deutlichen Dialekt. Es gibt zwar einige größere Städte, allerdings ist ihre Kultur nicht sonderlich urban geprägt. Der Großteil lebt in familiären Strukturen, sesshaft auf Höfen oder kleineren Dörfern auf dem Land, besonders in den wärmeren Küstenregionen, wo Strömungen im Hagansgolf das sonst kalte Klima erträglicher machen. Nichtsdestotrotz haben sich bis zum Ende der Finsternis einige größere Städte gebildet, namentlich Ashkalin, Naburit und Timoris, die allesamt in der Greifenleere liegen, als auch Meggoddin im Hochland von Rudravid sowie Lenduris und Greifenstein auf jeweils unterschiedlichen Seiten des Greifenrückens. Kurze Zeit nach dem Ende der Finsternis erlangte die Stadt Ruthron auf der Insel Litaria ebenfalls Bedeutung.
Die Herrscher über Greifenstein, der deutlich größten Stadt der Region, schafften es in den folgenden Jahren die anderen Städte in einem losen Verteidigungsbündnis zu vereinen, dem so genannten Greifenbund, um sich vor äußeren Feinden zu schützen. Zu ihren Nachbarn hielten die Homiiden wenig Kontakt. Das durchaus zur Seefahrt begabte Volk musste zudem feststellen, dass die Meere jenseits der Küstenregion von einem solchen Nebel überzogen waren, dass das Navigieren unmöglich war. Jene, die in diesen Nebel fuhren, kehrten nie wieder zurück. Der Greif hat eine besondere Stellung im Glauben der Homiiden, und das nicht nur in Form des ›Großen Greifen‹, der Wolsor, den ersten Wols erschaffen haben soll. Sie gelten auf der einen Seite als Beschützer des Landes. Die Sichtung der Tiere oder gar deren Federn, Krallen oder andere Teile ihres Körpers sollen Glück, Wohlstand oder Liebe bringen. Auf der anderen Seite werden diese Wesen auch gefürchtet, da sie sich häufiger gegen die Menschen wenden, ja sie sogar fressen würden. Des Weiteren taucht der Greif in verschiedenen Legenden auf. Die Halbgöttin Timoria soll auf einem solchen Tier geritten sein. Eine andere Sage besagt, dass in jeder der größeren Städte sowie in Ruthron zum Ende der Finsternis ein Greif als Bote des wechselnden Zeitalters gesichtet wurde. Sowohl die Herrscher über Greifenstein als auch die Priesterinnen von Timoris behaupten bis heute, dass sogar zwei Greifen in ihre Stadt gekommen seien.
In den kommenden Jahrzehnten kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den verschiedenen Städten. So stritten sich seit dem Ende der Finsternis; besonders die Städte Naburit und Timoris bekriegten sich über verschiedene Bergbauregionen. Des weiteren stellte Timoris den Führungsanspruch der Herrscher von Greifenstein über den Greifenbund häufiger in Frage. Im Jahre 33 nach der Finsternis verschwand der Nebel über dem Endlosen Ozean. Wurde dieser Nebel von den Einheimischen oft als Barriere verstanden, der sie daran hinderte, das Wissen ihrer Vorfahren bezüglich der Seefahrt zu nutzen und Magira zu erkunden, so stellte er sich rückblickend doch als Schutz gegen weitere Völker heraus, die schneller mit den Homiiden in Kontakt traten, als es ihnen lieb war … GREIFENRÜCKEN UND GREIFENLEERE Teil I – Vor der Finsternis bis zum Verschwinden des Nebels Jörg Meierotte Mainz & Wiesbaden, April & Mai 2019
… und als sich das Geschick der Ewigen Schlacht erneut wandte und die Heerscharen der Finsternis dem Ansturm der Heere des Lichts weichen mußten und Magira verließen, da geschah etwas bisher noch nicht Dagewesenes: ein Kriegslord der Finsternis, Dämonenlord Sataki, einer der mächtigsten Kriegsfürsten aller Zeiten und Weltenebenen, blieb auf Magira zurück, um hier im Geheimen für die Finsternis und ihren Sieg zu fechten. Doch je länger Sataki im Körper Urbig ra Dons, dessen Geist er verdrängt hatte, als er ihn übernahm, verweilte, desto schwächer wurden seine Kräfte und umso eifriger kämpfte Urbig für seine Rückkehr. In einer ihrer unergründlichen Launen entschieden die Götter, dem Dämonenlord eine Chance zu geben. Sie gestatteten ihm, seinen echten Körper auf Magira zu manifestieren und Anhänger aus allen Völkern um sich zu scharen, die es ihm ermöglichen sollten, sein erklärtes Ziel zu erreichen – der Finsternis auf Magira erneut Einzug zu verschaffen! Mit dem Spruch der Götter begann der unaufhaltsame Aufstieg der HORDE DER FINSTERNIS – und die glorreiche Geschichte des DUNKLEN IMPERIUMS, das, ebenso wie die mächtige Hauptstadt des Reiches, Ureban na Xertes, die Schädelstadt, auf allen Weltenebenen existiert…“
Aus der Geschichte des DUNKLEN IMPERIUMS
0. Vorwort
Die Horde der Finsternis repräsentiert eine Bevölkerungsgruppe, die sich von allen anderen Völkern Magiras elementar unterscheidet. »Tu was du willst« ist das Credo der Horde. Das bedeutet, dass alle Regeln des Zusammenlebens, alle Ziele und alle Strukturen auf der Fähigkeit des Einzelnen oder einer Gruppe beruhen, diese entweder durchzusetzen oder zu verändern. Kaum eine der im folgenden genannten Eigenschaften der Horde der Finsternis ist grundsätzlich von der Chance oder der Gefahr der Veränderung ausgenommen. In der Vergangenheit ergaben sich immer wieder Änderungen der Ziele der Horde und der Struktur ihrer Führungsschicht. Die Macht des DÄMONENLORDS wurde vielfach in Frage gestellt, wenn auch noch nie ernsthaft in Gefahr gebracht. Die Horde hat sich bereits gewandelt, und sie wird das auch in Zukunft tun.
Kommt man als Fremder auf die Schädelinsel, vermittelt sich einem der erste Eindruck, dass es sich bei der Horde der Finsternis um eine Versammlung von Tausenden von Einzelkämpfern handelt, in der jeder jeden bekriegt.
Erst allmählich erkennt man, dass die meisten Mitglieder der Horde in einem sehr komplizierten Beziehungs-, Schutz- und Schuldkomplex miteinander verbunden sind, der so unübersichtlich ist, dass ein neutraler Beobachter, der einmal versuchte, diese Beziehungen mittels Diagramm darzustellen, etwas erhielt, was er fürderhin den „hordischen Knoten“ nannte, den man nur mittels eines brutalen Schwertstreiches gegen die dargestellte Person lösen könne.
Antrag an den Rat der Feldherren 2020 gestellt von der Horde der Finsternis, vertreten durch Schädelträger und Imperialen Marschall Samsa,
»Auf ganz Magira spüren die Lebewesen Veränderung. Für manche erklingt aus der Tiefe ein Echo aus der Vergangenheit. Andere sehen in der Morgenröte ein verschwommenes Spiegelbild. Für wieder andere erscheinen inmitten der Nacht dunkle Schatten. Die Horde der Finsternis begibt sich auf die Suche: Magira wurde vor kurzem noch von epischen Ereignissen erschüttert. So erscheint nun der mächtige Schatten einer Festung, das Spiegelbild eines Herzens, ein Echo des Winters. Zwei Schiffe, ein Ziel – und die Völker Magiras sind aufgerufen, sich anzuschließen. Ihre Toten rufen sie. « -Das war der erste Spruch aus dem Widerhall der Welt.-
Die Horde der Finsternis möchte einen Handlungsstrang spielen, der ihr eigenes Geschick in den kommenden Jahren stark beeinflussen soll. Die Dämonen Azi Azatoth der Jüngere und Samsa wurden von den finsteren Göttern Magiras aufgefordert, sich auf die Suche nach dem HERZ DES WINTERS zu begeben – weshalb beide sich zu einer Wettfahrt in den Nor Magiras aufbrechen.
Wir wollen das Ende dieses Handlungsstranges natürlich nicht vorwegnehmen, denn schließlich soll es in den nächsten Jahren noch Ereignisse geben, die eben dieses beeinflussen können. Als einen dieser Einflüsse haben wir uns entschlossen das Ewige Spiel und ihre Spieler mit einzubeziehen.
Aus diesem Grunde stellen wir folgenden Antrag, dessen Zustandekommen für alle Interessierten weiter unten noch einmal aufgeschlüsselt wird.
Temporäres Fabelwesen: Finsteres Schiff
Der Rat der Feldherren möge beschließen ein temporäres Fabelwesen mit dem Namen Finsteres Schiff einzuführen. Es unterliegt den folgenden Regeln:
Beginn Es taucht jeweils ein Finsteres Schiff in den Feldern IV/3 der Alten Welt sowie der Yddia zu Beginn der nächsten Großrunde auf.
Der Himmel ist blau, die Sonne senkt sich langsam dem bewaldeten Horizont entgegen und es kommt ihm vor, als läge purer Frieden in der Luft. Der Wind zerrt an den Ästen, die Luft ist lau und angenehm. Schaut er genau hin, dann zittert das Laub merkwürdig im Wind, die hohen Gräser wiegen sich – irgendwie falsch. Wie gefesselt starrt er auf die Ebene. Dies ist kein Sonnenuntergang, sagt ihm sein Instinkt. Ein Bussard stürzt aus dem Himmel zu Boden, eine Feldmaus im Schnabel. Kurzes, heftiges Geflatter, dann fällt er mit unnatürlicher Geschwindigkeit dem strahlenden Blau wieder entgegen. Sein Blick schärft sich, sieht jetzt die Ameisen vor seinen Füßen, rückwärts auf ihrem Heerpfad unterwegs. Die Fliege, die sich vom Spinnennetz löst und davonfliegt. Schwarze Punkte am Himmel, Vögel rückwärts fliegend, und die aufgehende Sonne, die weiter untergeht. Ein paar Wolken am Horizont lösen sich auf. »Es ist wunderschön«, sagt die Stimme an seiner Seite. Langsam dreht er den Kopf, den fremden und vertrauten Lauten folgend. Aus dem Augenwinkel ihre Gestalt, doch sobald sich sein Blick konzentriert bleibt nur ein Schemen. Er war ihr nie begegnet, und doch wusste er, dass sie es war. »Das ist es«, flüstert er leise und nennt ihren Namen, »Sahbri«. Ein Lachen. »Ich beherrsche die Zeit. Und Du?« Plötzlich verschwindet die Szenerie, er blickt aus großer Höhe auf das Meer, als stände er auf einem hohen Kliff, höher als alle Steilküsten von denen er wusste. Doch da war kein Land, er schien knapp unter der Wolkendecke zu schweben. Unter ihm bildet sich ein großer schwarzer Fleck im Meer, Dunkelheit die aufsteigt und Gestalt annimmt. Die Gestalt einer großen Insel, in ihrem Zentrum eine schwarze Festung. Aus pechschwarzem Nichts, aus Schatten geformt. Ferner Schlachtenlärm, nur keine Kriegerscharen zu sehen. Todesschreie, verzweifeltes Weinen, endgültiges Stöhnen. Ein dunkelblaues Leuchten ist im Zentrum des Bauwerks zu erkennen, sein Schein dringt durch die Schatten, und dann diese tiefe, alles durchdringende Stimme: »Komm zu mir, und Dein innigster Wunsch …“ Die Stimme schweigt, aber in ihm wächst die Gewissheit: seine geheimste Wünsche würden wahr werden. Nur um den Preis, diese Schatten, diesen Schemen, dieses Echo vergangener Zeit einzuholen. Und das Leuchten zu ergreifen.
Langsam kämpft sich sein Bewusstsein wieder an die Oberfläche. Sternsnacht, der Magier, liegt in seinem Bett, und wie so häufig hallt der Traum noch nach. Das würde verschwinden, dachte er, und war sich im nächsten Moment sicher: diesmal nicht.
*
Die Wüstenluft flimmert, die Ebene gleißt unter der erbarmungslosen Sonne. Die vier Pyramiden erheben sich drohend und stoisch zugleich. Die Bauarbeiten sind wohl beendet, am Fuße der größten von ihnen treiben Reiter kleine menschliche Gestalten zusammen. Zelte und Holzgestelle brennen. Der Wüstenwind ist heiß, Sandkörner schmirgeln die Haut. Er bedeckt seine Augen, Schutz vor den Sonnenstrahlen, aber sein Blick erfasst nicht das Geschehen weit unter ihm. Ruhelos ziehen Gedanken und seine Augen die Bahn, mal am Horizont, mal auf den Steinen vor ihm. Sein Umhang flattert, Schweißperlen fließen von der Stirn ins Gesicht. Sein Atem geht schwer.
Am Rande seines Sichtfelds türmen sich Sand und Wind zu einem Sturm, Blitze zucken durch das schwarz-braune Chaos, und der dunkle Fleck scheint größer zu werden und genau auf ihn zuzuhalten. Hinter ihm türmt sich das karge Gebirge ohne jede Vegetation, ohne jeden Anschein von Leben.
Er kennt diesen Ort. Sie hatten sich hier oft getroffen, weit weg von diesem Moloch von Stadt und diesem Abfallhaufen von Welt, auf einer anderen Scheißwelt eben. Es war, als wäre kaum Zeit vergangen, und doch war alles anders, das wusste er. Stärker als der aufkommende Sturm fühlt er die Zeit an sich zerren, er verzichtete darauf, das Gemetzel tief unter ihm genauer in Augenschein zu nehmen.
»Du hast noch so viele Fragen«, sagt die Stimme an seiner Seite. Die vertraute Stimme, die er so vermisste. Sein Kopf ruckte herum, aber nichts zu sehen. Da versank die Welt im Dunkel.
Als er wieder sieht: das Meer. Meterhohe Wellen, von weißer Gischt gekrönt. Die dunkle Insel, der drohende Schatten einer riesigen Festung. Der Kampf ist in vollem Gange, und aus den Tönen von Schwarz, Grau und schmutzigem Weiß sticht ein blaues Schimmern hervor. Er weiß sofort: hier ist es passiert. Hier verliert er seine einzige Vertraute. Ihr Abschied begann auf diesem Eiland, sturmumtost. Der Geruch von Verrat liegt in der Luft, nicht zuletzt von Götterverrat. Alles, was an dieser Welt falsch und stinkend ist, kumuliert in diesen Stunden und Tagen. Nebelfetzen ziehen vor seinen Augen. Sie sind feucht, sein Herz ist schwer und wieder weigert er sich, allzu genau hinzusehen. Eine dünne Stimme, nicht mehr als ein feines Flüstern einer Frau: »Komm zu mir, und Dein innigster Wunsch …« Das Blau pulst langsam. In den Schlachtenlärm mischt sich ein feines Seufzen.
Mit einem Schlag öffnet Azi Azatoth der Jüngere die Augen, sein Herz pocht, sein Atem geht hektisch. Das alles war zu echt um nur ein Schemen der Nacht zu sein. Das merkwürdigste war die Gewissheit in ihm: er hatte sein Schicksal gesehen.
*
Die schwarzen Wände schlucken die Sonnenstrahlen, die aus den großen Fenstern dringen. Auf dem dunklen Boden zeichnen sich kaum die Umrisse der Fenster ab. Nur Staub flirrt in den beschienen Bereichen, und es riecht nach Alter und Blut. Er ist nicht beeindruckt. Werder von den schieren Dimensionen des Palastes, noch von den düsteren Gemälden, von den Strömen aus Blut, die auf ihnen zu sehen sind und die Schlachtszenen. Die Schlachtäxte, Schwerter, Spieße an den Wänden, die die Patina vergangener glorreicher Zeit tragen lassen ihn kalt. Vollständig konzentriert er sich auf die große Tür am Ende des langen Saales. Hinter ihm leises Gemurmel, vor ihm Stille. Dann schwere Schritte, ein Dröhnen, auch wenn er viele Meter von den Tür entfernt in den vordersten Reihe steht. Ein Platz, den er sich energisch erarbeitet hat.
Die beiden riesigen Türflügel schwingen auf. Eine große, dunkle Gestalt, in einem Umhang mit Kapuze gehüllt, nähert sich langsam aber mit sicherem Schritt dem riesigen Saal des erweiterten Dämonenrates.
Er greift in seine Weste und umklammert das eiskalte Metall, spürt mit den Fingerspitzen den Edelstein, der in den Griff eingefasst ist. Glaubt sogar, seine Wärme zu spüren.
Der Dämonenlord betritt den Saal. Er wird zuerst in seinem pompösen Stuhl Platz nehmen, bevor die anderen sich an ihre Plätze begeben. Doch dazu wird es nicht kommen. Die Wärme eigener Gewissheit, des Bewußtseins von Macht durchdringt seinen Körper, er zieht den Wurfdolch und mit einer durchgehenden Bewegung schleudert er ihn dem Dämonenlord entgegen.
»Der Stein wird ihn für immer von dieser Weltenebene verbannen«, wisperte es in seinem Kopf. Und er wusste, dass sein Ziel nahe war.
Dunkle Wolken, tobendes Meer, sterbende Magiraner. Die Schlacht war in vollem Gange, er steht auf den Mauern der Festung, so nah, so verdammt nah an diesem blauen Leuchten in ihrem Zentrum. Er hatte nicht vor, einen verloren Kampf zu kämpfen. »Komm zu mir, und Dein innigster Wunsch …« Er macht kehrt und betritt die riesige Anlage.
Der Traum ist ihm nahe. Jeden Tag. Jede Minute. Er würde sich auf den Weg machen. Die Möglichkeit, den Dämonenlord für immer von dieser Weltenebene zu verbannen, war noch da. Ein leises Echo in seinem Kopf, aber vielleicht alle Mühen und jeden Verrat wert.
WEITE, NÄHE UND ANDERE TRÄUME
Michael Scheuch
Seeheim, März 2020