Der Friedhof der Namenlosen

Die Bösenachtgeschichten werden den jungen Hordlingen am Abend erzählt, damit sie nervös und unruhig schlafen, Respekt und Furcht vor der Obrigkeit haben, sowie der Welt da draußen mit Misstrauen und Kampfbereitschaft begegnen.

Der junge Dzaak lebte in Ureban Na Xertes, dort lernte er den Beruf des Schwertmagiers, des Magiskers. Eines Nachmittags suchte Dzaak am Rande der Stadt den Friedhof der Namenlosen. Er wollte seinen toten Onkel besuchen und von ihm Zauber lernen. An geraden Tagen fand man den Friedhof mehr im Est der Stadt und an den anderen Tagen eher im Wes. Auf diesem Totenacker wurden die Toten gesammelt, die man überall in Ureban fand und die niemand kannte oder niemand kennen wollte. Er war aber auch sonst recht beliebt für Beerdigungen, denn es lag ein Fluch über dem Friedhof. Dieser war dergestalt, dass dort jeder seinen Geschäften unter dem Schutz des Wächters gefahrlos nachgehen konnte; doch nur bis Mitternacht. Wer sich nach Mitternacht auf dem Friedhof aufhielt, dem würde Schreckliches geschehen.

Der junge Mann wusste dies, als er den Friedhof betrat. Er ging an dem Wächter und Totengräber vorbei, einem riesigen Geschöpf, das über und über mit ekelhaften Schwären bedeckt war. Dieser Wächter der Toten und war seit Urgedenken dort, und er wachte über den Friedhof. Dzaak beeilte sich bei seinem Onkel, aber dieser war schlechter Laune. Er wehrte sich nach der Erweckung und knirschte grauslich mit den Zahnstummel. Er wollte von seinem Wissen nichts preisgeben, aber Dzaak wusste Rat. Er brannte ein weißes Feuer unter dem Geist des Toten ab, bis dieser seinen Schmerz in den Himmel schrie. Dann sagte er hastig einige Zauberformeln auf, die Dzaak gierig aufsog.

Später ging der Magisker die Reihen der Gräber entlang und betrachtete sie. Er war nicht sehr in Eile, es war die Zeit der Eule, eine ganze Weile vor Mitternacht. Es ging vorbei an Gräbern, Grabmälern und Gruften, vorbei an Steinen, Säulen und Steinbänken und an Statuen und grob behauenen Stelen. Bei einige Grabstätten zeigten Bilder, was die Toten im Leben getan hatten, andere trugen hasserfüllte Inschriften oder waren sehr schlicht. Da war da ein Grabmal, das zeigte einen schwarzen Engel, dessen Flügel brannten. Davor kniete eine Frau, in Tücher gehüllt. Dzaak blieb stehen, und beobachtete sie. Sie stand auf, ging die Allee entlang und Dzaak folgte ihr neugierig, ohne Grund, nur um zu sehen, wohin sie wolle. Je länger er sie ansah, desto mehr schien sie ihm über die Maßen schön und elegant. Sie gingen eine Weile und sein Blick ruhte auf ihren Hüften und den Bewegungen des Gesäßes, das sich anmutig unter dem glatten Stoff bewegte. Die Gräber zogen an ihm vorbei, aber er beachtete sie nicht, sein Blick folgte den sanften Bewegungen vor ihm, er konnte nicht anders.

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