Jeljababs schlechter Tag

Geschichte von Britta Ketelsen

Manchmal  sind es die kleinen Dinge, die geschehen und die große Veränderungen nach sich ziehen.
Jeljabab hatte diesen Tag begonnen wie so viele Tage zuvor in den letzten hundert Jahren. Er folterte ein bißchen seine derzeitige Lieblingskonkubine, die erbärmlich schrie, als er ihr tiefe Löcher in die Innenseite ihrer Schenkel biß, und ihm so ein tiefes Gefühl der Befriedigung verschaffte, die all ihre verzweifelten Versuche ihm eine andere Form der Befriedigung am Vorabend zu bieten, bei weitem übertraf. Dann suhlte er seinen dunklen, mit dicken Borsten überzogenen Körper in seinem Schlammbad und sah zu, wie die dicken Zecken und Flöhe versuchten, auf höher gelegene Stellen seines Leibes zu fliehen, um nicht in dem zähen, gelben Schlamm zu ersaufen. Er zerquetschte ein, zwei der kleinen Plagegeister und lutschte sie gedankenverloren aus, während sein Leibdiener sich darin übte, die dicken eitrigen Furunkel am Anus seines Herren auszudrücken.
Jeljabab genoß den Schmerz, und der Gestank des Eiters, der in zähen Fäden in das Schlammbad tropfte, weckte zärtliche Erinnerungen an Geliebte vergangener Tage, die er schon vor langer Zeit verdaut hatte.
Wie jeden Tag erhob er sich, um sich ein Frühstück auf den  Straßen Urebans zu besorgen, irgend eine leckere, lebendige Kleinigkeit. Die Märkte und Straßen Ureban na Xertes waren besser geeignet als die jede andere Stadt Magiras, um den Gaumen eines Genießers mit ausgesuchten Leckereien zu beliefern. Jeljabab schätzte diese Auswahl, zumal ihn die lästigen Reisen während eines Kriegszuges mit zunehmenden Alter immer unangenehmer wurden. Zu viele Kompromisse für zu wenig Spaß. Er blieb lieber daheim und ließ sich beliefern, statt selbst auf die Jagd zu gehen.
So schlenderte er nur wenig später die Schneise der Verwüstung entlang, als sein Blick auf ein Geschwisterpaar fiel, das im Ballspiel versunken alle Vorsicht außer acht ließ. Die kleinen Menschen hatten nicht einmal die Chance zu schreien, als der Dämon sie ergriff und bewußtlos schlug, bevor er sie in seinen großen Sack steckte. Jeljabab liebte kostenloses Futter und der Tag schien ihm schön.
Als er sich umdrehte, erblickte er ein kleines Ghoulmädchen, das ihn durchdringend mit seltsam grünen Augen anstarrte. Auch besaß sie ungewöhnlich viele Haare auf dem Kopf. Nie zuvor hatte der Dämon so ein Wesen gesehen. Weder neigten Menschenmänner dazu, sich an den kleinen, schleimigen Ghoulweibchen zu versuchen, noch hatte er je gehört, daß Ghoulmännchen Menschenfrauen geschwängert hätten. Gefressen ja, aber geschwängert?
Der Dämon beschloß, seinen Speiseplan um diese seltene Delikatesse zu erweitern.
Das Ghoulkind schien überrascht und erschrocken, als er sie ansprang, versuchte auch verzweifelt zu entkommen, aber der Schleim, mit dem sein Körper überzogen war, half ihm trotz aller Zappelei nicht, dem harten Griff krallenbewehrter Hände zu entkommen. Ruckzuck war das dritte Kind im Sack und Jeljabab machte sich auf in Richtung Heimat, amüsiert über die unflätigen Beschimpfungen, die das Ghoulmädchen aus seinem derzeitigen Aufenthaltsort heraus an ihn richtete.

Als Jeljabab seine Wohnhöhle erreichte, hatte er beschlossen, das Wesen, das ihm kaum bis zum Knie ging, zu seiner neuen Geliebten zu machen, denn selten hatte er so farbenfrohe und bildhafte Beleidigungen genossen. Weniger als die Hälfte davon waren ihm bekannt gewesen.
Er öffnete den Sack und schüttelte sein Frühstück heraus, das tief in die Futtergrube fiel.
Die schlaffen Körper der Menschenkinder prallten auf dem Boden auf, während sie als weiche Unterlage für die Landung des Ghoulmädchens dienten.
»Du stinkender Trollarsch, laß mich sofort frei oder meine Familie wird dich in den Boden stampfen, daß nicht einmal Uschak an deinen Resten nagen mag!« fauchte die Kleine.
Jeljabab hatte keine Ahnung, wer Uschak sein könnte, es interessierte ihn auch nicht. Er fand die Idee amüsant, daß eine Horde Ghoule versuchen könnte, einen so mächtigen Dämonen wie ihn anzugreifen.  Das wäre nichts anderes als Futter für viele Tage. Und das sagte er dem Kind höhnisch lachend.
»Du wirst schon sehen! Sie kommen und vernichten dich!« zischte die Halbghoulin.
Doch der Dämon lachte nur, legte die schwere Steinplatte über die Grube und ging, seine Lieblingskonkubine zu töten.
Dieses kleine, freche Mädchen aus der Grube zu einer willigen Sklavin zu machen, schien ihm ein entzückender Zeitvertreib zu sein. Da störte die Vorgängerin nur.

Die Sonne versank am Horizont, als sich der Dämon endlich seiner alten Geliebten entledigt hatte. Ihr Schreien und Wimmern hatte ihn doch mehr erfreut, als er zuvor gedacht hatte, und satt war er nun auch.
Als er die Grube öffnete, starrten ihn drei Augenpaare an, zwei voller Angst und Schrecken, und das dritte, das intensiv grün leuchtet, voller Haß.
»Du hast eine Seele gefressen, du Sohn eines Dunghaufens!«
Jeljabab verhielt in der Bewegung. Woher konnte die Kleine das wissen? »Was sagst du da?«
»Du hast es gehört, Ogerdreck, du hast eine Seele gefressen! Da hört der Spaß auf! Du hast die Göttin bestohlen!« Das Ghoulmädchen spuckte ihre Anschuldigung förmlich heraus.
»Götter interessieren mich nicht!« Der Dämon grunzte unwillig und griff nach unten, versuchte sich das Mädchen zu greifen.
»Mich aber!« Das Kind hob ein Medaillon und ein Spiegel reflektierte für einen Augenblick die kahlen Wände der Grube, bevor er zu explodieren schien.
Jeljabab erstarrte für einen winzigen Augenblick, als ein Werwolf aus dem Spiegel sprang, sofort den Grubenrand erklomm und ihn angriff. Hier in seinem eigenen Reich! Und dem ersten folgten weitere wild knurrende Werwölfe, dazwischen immer wieder Ghoule, die von den Werwölfen aus der Grube geworfen wurden, um Platz zu schaffen für die nachfolgenden Bestien, die sich gegenseitig fast niedertrampelten bei dem Versuch, den Dämon anzugreifen und zu verletzen.
Reißzähne bohrten sich in dessen Fleisch, Krallen zerrissen seine Bauchdecke und zerrten an seinen Eingeweiden, knurrend und geifernd suchten sie, ihn in Stücke zu reißen, und Jeljabab begriff, daß er in Gefahr schwebte.
Er versuchte einen Bannspruch, doch bevor er noch die winzigen erforderlichen Bewegungen, die den Zauber begleiteten, beenden konnte, fehlten ihm plötzlich die benötigten Finger, verschwanden in wutverzerrten Ghoulmäulern.
Der Feuerstoß aus Jeljababs Magen verbrannte ihm nur selbst das halbe Gesicht, denn einer der Werwölfe schien diese Art des Angriffs geahnt zu haben und verbiß sich so in das dämonische Gesicht, daß dieser nicht mehr seinen Mund öffnen konnte.
Voller Verzweiflung versuchte der Dämon nun, seinen Gegnern die Seelen aus dem Leib zu saugen, hochgradig erregt bei dem bloßen Gedanken an diese Tat, obwohl sein Geschlechtsteil sich gerade in den Klauen einer Wölfin befand, die es aus seinem Leib gerissen hatte.
Doch die Werwölfe schienen die neue Form des Angriffes zu spüren und sprangen zurück an die Wand, machten Platz für ein fremdartiges Wesen, das groß, schlank, menschenartig, doch mit mächtigen schwarzen Schwingen ausgestattet, aus der Grube schwebte.
»Ich klage dich an der Seelenfresserei. Du vernichtest die Seelen, die der Todin gehören. Ich klage dich an, deine eigene Seele vor der Todin zu verbergen, dein Leben zu verlängern und vor der Todin zu fliehen. Ich klage dich an, ich verurteile dich, und ich werde das Urteil vollstrecken. Im Namen der Todin.«
Nojikina griff zu, riß das Herz aus dem Dämon und mit ihm die Lebensessenz des Dämonen, seine Seele und die Seelen jener, die er im Laufe seines Daseins gefressen hatte.
Jeljabab spürte seine Kräfte schwinden, wurde in einem Augenblick zu einem alten, sterbenden Menschen und das letzte was er angstgeschüttelt sah, bevor er zu Staub zerfiel, waren die grünen, leuchtenden Augen Nojikinas, die denen des Ghoulmädchens so ähnelten, und das letzte, was er hörte, waren deren Worte: »Du hast meine kleine Schwester erschreckt.«

Der Dämonenrat trat zusammen.
»Sie haben es gewagt. Sie haben einen Dämon getötet. Hier in Ureban na Xertes! Es wird Zeit, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten!«
Die versammelten Dämonen nickten. Es würde ein Leichtes sein, die lästigen Bewohner Feuerlands zu vernichten. Eine Kleinigkeit, kaum der Rede wert.

Aus den Chroniken des Feuerland-Krieges
Teil 1
Jeljababs schlechter Tag
Britta Ketelsen
Grünberg, August 2008

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